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Offene Email
an den Intendanten des

Norddeutschen Rundfunks
Lutz Marmor

(Textform)

 

 

Sehr geehrter Herr Intendant Marmor,

heute wende ich mich direkt an Sie persönlich, weil mir Ihr Justitiar bekanntlich gerichtlich verboten hat, seinen Namen zu nennen. Als Journalist bin ich darauf angewiesen, Tatsachen unzensiert veröffentlichen zu dürfen und dafür keine existenzgefährdenden juristischen Klagen angehängt zu bekommen, wie dies in der Vergangenheit bereits durch Ihren Mitarbeiter geschehen ist. Als Behördenleiter sind Sie ja ohnehin verantwortlich für das, was in Ihrer Anstalt gemacht wird.

Es geht heute um die von einem Hamburger Polizeibeamten erhobenen Daten, welche dieser Beamte oder die Staatsanwaltschaft an Sie weitergegeben hat. Mit Hilfe dieser ohnehin auch schon inhaltlich fragwürdigen Daten begründen Sie nun eine erneute Zwangsanmeldung und Ihre Forderungen gegen mich. Ich beziehe mich dabei auf Ihr Ankündigungsschreiben vom 9. Dezember 2010 und Ihren rechtsmittelfähigen Gebührenbescheid vom 1. Mai 2011, Eingang bei mir am 7. Mai 2011.

In dem eingangs erwähnten Schreiben weisen Sie, bzw. Ihre Mitarbeiter, darauf hin, dass der Polizist vermerkt habe, in meinem, im öffentlichen Straßenverkehr abgestellten Fahrzeug mit dem Kennzeichen HH-FZ 197, ein Radio erkannt zu haben. Diese Information ist,  möglicherweise unter Verstoß gegen § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB (Verletzung von Privatgeheimnissen), an Sie weitergegeben worden.

Der Polizeibeamte muss also zunächst, vermutlich ohne Verdacht und ohne dass eine Anzeige gegen mich vorlag, eine Halteranfrage durchgeführt haben. Dann muss er vermutlich außerhalb seines Reviers mein Auto gesucht, und in das Innere hineingeschaut haben. Das entscheidende ist nun aber: Er hat Ihnen seine Beobachtungen zugänglich gemacht, mit dem Ergebnis, dass Sie mir nun einen belastenden Bescheid haben zukommen lassen und von mir Gebühren für den Zeitraum vom 1.7.2008 bis heute verlangen.

Der BGH hat hierzu eine klare Rechtsprechung verkündet (BGH 1 StR 150/02 Urteil vom 8. Oktober 2002). Danach unterliegen die Halterdaten der Geheimhaltung und fallen unter den Schutzbereich des § 203 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 StGB. Begründet wird eine besondere Sorgfaltspflicht beim Umgang mit diesen Daten vom BGH u.a. so:

„Der Fahrzeughalter, der die Speicherung seiner Daten nach § 33 Abs. 1 StVG hinzunehmen hat, darf erwarten, daß die zuständigen Behörden Halteranfragen gemäß § 39 Abs. 1 StVG dahin überprüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Auskunft dargetan sind. Soweit faktisch die Möglichkeit des Mißbrauches besteht, kann dies nicht zu einer Einordnung der Fahrzeugregister als "allgemein zugänglich" führen. Insofern ist nämlich von der Rechtstreue desjenigen, der die Halteranfrage stellt, auszugehen.“

Halterdaten sind nicht offenkundig, also nicht allgemein zugänglich und unterstehen damit der Geheimhaltungspflicht gem. § 203 StGB. Dazu der BGH:

„Fahrzeug- und Halterdaten, die im Rahmen einer einfachen Registerauskunft nach § 39 Abs. 1 StVG übermittelt werden, sind nicht offenkundig und fallen damit unter den Schutz des § 203 Abs. 2 Satz 2 StGB. (...) Offenkundig im Sinne von § 203 StGB sind solche Tatsachen, von denen verständige und erfahrene Menschen ohne weiteres Kenntnis haben oder von denen sie sich jederzeit durch Benutzung allgemein zugänglicher, zuverlässiger Quellen unschwer überzeugen können.“

Diese Angaben des Polizeibeamten hätten also gar nicht in Ihre Finger gelangen dürfen. Obwohl es in Deutschland kaum Verwertungsverbote gibt, ist die Verwendung dieser Daten als Zwangsanmeldegrund m.E. doch wohl weit mehr als ein bloßer Stilfehler. Immerhin verlangen Sie von den Bürgern, dass sie stets brav ihr ehrlich verdientes Geld an Sie abführen, während Sie selbst als Behördenleiter es, meiner Beobachtung und meiner persönlichen Einschätzung nach, möglicherweise nicht ganz so genau damit nehmen, wie Sie das Geld von uns Bürgern eintreiben. Sie als Behördenleiter sollten Vorbild sein, schließlich wollen Sie doch unser Geld!

So verlangen Sie beispielsweise von mir Gebühren bis zum heutigen Tage für das angebliche Autoradio, ohne geprüft zu haben, ob ich überhaupt noch ein Auto besitze, wozu Sie nach dem Untersuchungsgrundsatz des § 24 VwVfG verpflichtet gewesen wären. Prüfen Sie bitte über Ihre guten Beziehungen zu Polizei und Staatsanwaltschaft folgendes nach:

Ich, Bernd Höcker, habe seit Juni 2009 überhaupt kein Auto mehr!

Dies nachzuprüfen dürfte für Sie doch zu machen sein oder? Man sieht an dieser kleinen Nachlässigkeit auch sehr anschaulich, wie Ihr Zwangsanmeldesystem funktioniert: Einfach drauf los und ins Blaue hinein die Bürger mit belastenden Bescheiden bombardieren. Dieses saloppe Vorgehen entspricht haargenau den Beschreibungen, die ich fast täglich von geschädigten Bürgern bekomme.

Was ich beobachten kann: Es weht ein eiskalter Wind über Norddeutschland, seit Sie Chef des NDR sind. Ich möchte dazu nur zwei weitere Beispiele bringen:

Mit Strafanzeige und Strafantrag vom 12.1.2009 versuchten Sie einen zu recht aufgebrachten Bürger ins Gefängnis zu bringen, weil er den NDR als raffgierige Propagandaanstalt bezeichnet hatte. Er wurde in 2. Instanz freigesprochen, musste aber die Kosten des Verfahrens tragen. Diese Mittel sollten Sie bitte künftig nicht mehr verwenden, Herr Marmor! Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Menschen im Gefängnis sitzen, weil sie den NDR „raffgierig“ nennen! Ich denke, es kommt für den NDR darauf an, den Menschen Freude zu bringen und sich für einen freien Journalismus und für Aufklärung einzusetzen!

Und genau das tun Sie nach meinen Beobachtungen und Erfahrungen gerade nicht! Mag es Ihnen gefallen oder nicht: Ich habe als Journalist eine „Wächterfunktion“. Auch und gerade dem NDR gegenüber. Deshalb hatte ich in meinem, inzwischen zensierten Blog meine letzte Zwangsanmeldung peinlich genau und gewissenhaft dokumentiert. Ohne jemanden zu beleidigen und ohne falsche Tatsachen zu behaupten. Das ging auch über zwei Jahre lang gut. Dann kam der Intendantenwechsel und der Justitiar kam mir aus heiterem Himmel mit einer 50.000-Euro-Abmahnung und später mit der Klage. Weil ich seinen Namen genannt habe und wegen der anderen Sache, die ich nicht nennen darf. Als Rundfunkanstalt sollten Sie eigentlich für Offenheit und Transparenz stehen, das erwarten die Menschen  von Ihnen! Es schaudert mich, wenn ich mir vorstelle, dass möglicherweise eine übergeordnete Strategie hinter all dem steckt (Stichwort Marchiavelli).

Noch mal zurück zu der erneuten Zwangsanmeldung und Ihre einträgliche Zusammenarbeit mit Polizei und Staatsanwaltschaft: Sie und ich wissen, dass ich über den hier vorliegenden Sachverhalt nicht alles geschrieben habe. Nicht alles schreiben durfte! Das, was ich hier aufgeführt habe, ist ja nur die Spitze des Eisbergs! Wenn jemand außenstehendes diese Offene Email oder meinen neuen Blog liest, weiß er die Hintergründe nicht und das Ganze sieht irgendwie schon wieder zensiert aus. Ich bin der Meinung, dass die Öffentlichkeit das Recht hat, alles über diesen Fall und Ihre enge Verzahnung mit der Justiz zu erfahren. Sie sind doch auch eigentlich gegen Zensur, jedenfalls wenn es um China oder andere Länder geht oder? Übrigens gibt es kein Land auf der Welt, in dem Zensur auch „Zensur“ genannt wird, aber das nur nebenbei.

Kurzum: Ich schlage vor, dass Sie Ihren Mitarbeiter davon überzeugen, das Verbot zumindest in soweit aufzuheben, wie es für die Beleuchtung der hier vorliegenden Tatsachen notwendig ist. Eine einfache Unterschrift genügt dazu. Spätestens in der öffentlichen Gerichtsverhandlung werden die Tatsachen ohnehin auf den Tisch kommen. Warum also nicht jetzt und dafür freiwillig? Interessant wäre zum Beispiel auch eine Antwort auf die Frage, ob der Polizist allein auf die Idee kam, mir nachzuspionieren oder ob die „Anregung“ dazu von einem NDR-Mitarbeiter kam.

Ich bin auch mal gespannt, was der Polizist als Zeuge in der öffentlichen, mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht aussagt. Hat er tatsächlich ein „Autoradio“ gesehen oder bloß eine Blende? Es ist nämlich verboten, ein scharfkantiges Loch in seinem Armaturenbrett zu haben.

Sie haben Vorträge gehalten, in denen Sie vor der juristischen Verfolgung von Journalisten gewarnt haben und die Journalisten aufforderten, sich nicht einschüchtern zu lassen. Das fand ich sehr interessant und ich habe mich davon sehr angesprochen und zutiefst verstanden gefühlt! So, als hätten Sie mit Ihren Worten direkt auf meinen damaligen Fall angespielt!

Ich bin gespannt, ob sich Ihr sehr lobenswertes Engagement auch künftig in Ihren Taten widerspiegeln wird. Ich werde nämlich diese erneute Zwangsanmeldung als weiteren Blog auf meiner Webseite veröffentlichen.

Die Welt will wissen, was hier im Norden Deutschlands los ist!

 

Bernd Höcker

 

 

 

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